Nikolaus, Nickel, K/Claus und Nitzsche verabschieden sich nach erstem
Auftreten vom 13. Jahrhundert an und längerer Beliebtheit vom 14.
bis 16.Jahrhundert als Taufnamen im 17. Jahrhundert endgültig aus
dieser Verwendung und kommen dann nur noch als Familiennamen vor. Bei etwas
genauerer Betrachtung des urkundlichen Materials lässt sich dieser
Vorgang in unserer näheren Heimat recht gut nachweisen.
In Grimma beginnt die Nitzsche-Reihe 1628 mit Hans Nizsche, die
Claus-Reihe aber bereits 1505 mit Nicki Cloß. Diese Entwicklung wirft
mehrere Fragen auf, denn es ist doch ungewöhnlich, dass ursprüngliche
Tauf-/Vor-/Rufnamen aus ihrer ursprünglichen Verwendung ganz oder
zumindest für sehr lange Zeit verschwinden und in neuer Funktion nur
noch als Familiennamen verwendet werden. Und es ist auch ungewöhnlich,
dass aus einem einzigen Namen so viele Anwandlungen gebildet werden.
Und es ist außerdem noch ungewöhnlich, dass Lautungen
aufkommen, die den Schreibern offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten
bereitet haben. Zu jeder dieser und zu weiteren Fragen hat die Sprachwissenschaft
viel Papier beschrieben, ohne eine wirkliche Antwort zu finden. Aber ein
Versuch, das Problem zu lösen, lohnt durchaus. Sicher ist, dass hier
mehrere Gegebenheiten zusammenwirken. Auf die Ablösung des germanisch-altdeutschen
Taufnamenbestandes wurde oben bereits hingewiesen. Diese alten Namen waren
weitgehend zur Gewohnheit geworden, es fehlte ihnen der Reiz des Neuen,
des Nicht-Alltäglichen.
Namenmoden und Modenamen wurden mit zunehmender Kenntnis von fremden
Kulturen bis in die Gegenwart immer stärker entwickelt. Vorreiter
waren früher die sozialen Oberschichten, heute kann das jeder. Die
Abwandlung des offiziellen Namens im Familien- und Freundeskreis gibt es
schon seit langer Zeit, und auf diese Weise entstandene Abwandlungen haben
auch Eingang in den offiziellen Gebrauch gefunden. Dabei spielte die Bedeutung
oder die Herkunft des Namens und der abgewandelten Form keine Rolle.
So werden in Grimma 1505 Nicki Cloß, in Oberebersbach 1410
Claus Nicze und 1440 Nicklos Clawß 1468 Nickel Clawß urkundlich
aufgezeichnet. Anfangs bereitete den Schreibern die Aufzeichnung der im
Deutschen ungewöhnlichen -tsch-Lautung erhebliche Schwierigkeiten.
So stehen bei den Vornamen 1366 Niczcze, 1380 Nicze, 1387 Niczsche und
bei den Familiennamen 1402 Nyczsche, 1449 Niczsche, 1470 Nitczsch nebeneinander,
ehe sich im 16. Jahrhundert die Nitzsche-Schreibung bei den Familiennamen
durchsetzte. Die Frage nach der Herkunft der -tsch-Lautung ist aus sprachwissenschaftlicher
Sicht unterschiedlich beantwortet worden. Die bevorzugte Verwendung im
ostmitteldeutschen Sprachraum legt es nahe, einen gegenseitigen slawisch-deutschen
Ursprung anzunehmen, denn hier finden wir zahlreiche -tsch-Bildungen in
Orts-, Flur- und Personennamen slawischen Ursprungs: Krutzsche, Lautzsche-Kötteritzsch,
Roitzsch-Bartzsch, Mietzsch. Bei den Personennamen handelt es sich vor
allem um im Familienkreis verwendete Anredeformen, vergleiche Apitzsch:
Albrecht, Bartzsch/Partzsch: Bartholomäeus, Kuntzsch: Konrad, Jacksch:
Jacob usw. Im Fall von Nitzsche lässt sich ein weiterer Hinweis einbeziehen.
Der Ort Nitzschka an der Mulde, urkundlich 1350 als Nitschkow aufgezeichnet,
ist slawischen Ursprungs und geht als 0rt eines Mannes namens Nick auf
die Koseform Nick-o zum Heiligennamen Nikolaus zurück; Gleiches gilt
für Nitzschka bei Altenburg, 1350 als Niczkow urkundlich nachweisbar.
Mit Sicherheit ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Familiennamen
Nitzschke unserer näheren Heimat darauf beruht, dass die so benannten
Personen von dort weggezogen sind, wie dies für den 1414 in Grimma
verzeichneten Nickel Niczko und dessen bis ins 18. Jahrhundert nachweisbaren
Nachkommen gilt.
Horst Naumann